Die Haubenfahrzeuge der Nachkriegszeit - Teil 21

Mittwoch, 29. März 2017

Die Haubenfahrzeuge der Nachkriegszeit - Teil 21 - Mercedes-Benz L 311 und L 321 (Baujahre 1959-1961) als hydraulische Drehleitern mit 25 und 30 m Länge

In den USA hatte die Firma Seagrave bereits 1935 damit begonnen, Drehleitern mit hydraulischem Antrieb des Leiterparks zu erproben, die sich zunehmender Beliebtheit erfreuten. Magirus zog Anfang der 1950er Jahre mit der Entwicklung eigener Modelle nach und präsentierte 1953 auf der Ausstellung „Der rote Hahn“ in Essen erstmals eine so genannte DL 25h. Nach weiteren Erprobungen und Verbesserungen begann 1955 die Serienfertigung – allerdings nur für den Export. Deutsche Feuerwehren orderten erst ab 1957 zögerlich hydraulische Drehleitern bei Magirus.

Metz hatte – wieder einmal – die Entwicklung ein wenig verschlafen. Patente für einen hydraulischen Leiterantrieb hatte die Firma zwar schon 1935 angemeldet, die Technologie aber nicht weiterverfolgt. Das musste nun in den Jahren 1957/58 schleunigst nachgeholt werden, um dem Konkurrenten dieses Feld nicht allein zu überlassen. Bereits Ende 1958 wurden die ersten beiden hydraulischen DL 30 auf den sogenannten Pullman-Fahrgestellen von Mercedes-Benz an die BF Hamburg geliefert. Auch Metz bezeichnete Drehleitern mit hydraulisch angetriebenem Leiterpark in den folgenden Jahren mit dem Zusatzbuchstaben „h“- Im Sommer 1959 folgten eine weitere Pullman-DL 30 an die FF Neuss und eine Hauber-DL von Mercedes-Benz für die FF Sindelfingen. Dieses Fahrzeug wird weiter unten vorgestellt.

Ebenfalls noch im Jahr 1959 wurden die ersten drei DL 25h ausgeliefert. Sie waren von den Freiwilligen Feuerwehren Aalen, Altena und Brackwede (heute ein Stadtteil von Bielefeld) bestellt worden und nutzten Fahrgestelle vom Typ Mercedes-Benz LF 311/42. Die Aalener Leiter gehörte noch zur Serie mit „Gemischtbauweise“, also einem Ganzstahlpodium, aber weiterhin einer Kabine aus einem Hartholzgerippe mit Blechbeplankung. Allerdings wurde hier – wie bei den zeitgleich gebauten mechanischen Drehleitern – bereits eine durchgehende Frontscheibe verwendet, über der das Dach ein wenig vorsprang. Bis 1988 blieb die DL 25h in Aalen, dann wurde sie an die FF Bad Friedrichshall verkauft, die sie heute noch besitzt.


DL 25h, Mercedes-Benz LF 311/42, Metz, Baujahr 1959, geliefert an die FF Aalen, seit 1988 im Besitz der FF Bad Friedrichshall.

Von der Brackweder Drehleiter ist leider kein Bild bekannt., so dass keine Aussagen über ihre Gestaltung gemacht werden können. Die Ende 1959 ausgelieferte Drehleiter der FF Altena verfügte dagegen bereits über eine Ganzstahlkabine, wie die silbernen Einfassungen der Seitenfenster und die unterhalb der Frontscheibe angebrachten Scheibenwischermotoren belegen. Auch hier springt das Dach noch etwas vor, genau wie bei der Anfang 1960 für die FF Dorsten gebauten DL 25h. Es wäre schön, wenn wir von allen drei genannten Fahrzeugen zukünftig Bilder in der Galerie präsentieren könnten.

Die Feuerwehr Espelkamp konnte im März 1961 ebenfalls eine DL 25h in ihren Fuhrpark aufnehmen. Bei dieser war der Dachvorsprung entfallen, die Kabine entsprach in ihrer Bauart weitgehend den schon etwas länger bei TLF 16 verwendeten Konstruktionen. Nach ihrer 1980 erfolgten Ausmusterung wurde sie von der Paracelsus-Klinik Osnabrück für die Wartung und Instandsetzungsarbeiten an ihren Gebäuden gekauft und in Lashorst am Schloss Hüffe stationiert. 1995 ging die Drehleiter in den Besitz einer Privatperson über, 2003 wurde sie vom Oldi-Club BtFN erworben und restauriert. So ist dieses Unikat glücklicherweise erhalten geblieben.


DL 25h, Mercedes-Benz LF 311/42, Metz, Baujahr 1961, im Dienst bei der FF Espelkamp bis 1980, nach mehreren Zwischenstationen heute als restaurierter Oldtimer im Besitz des Old-Clubs BtFN.


Mit dieser Drehleiter endete bei Metz die Langhauber-Ära für DL 25h, alle späteren Leitern nutzten das neu entwickelte Kurzhauberfahrgestell.

Eine DL 25h darf man in diesem Zusammenhang nicht vergessen. Sie stellt eine absolute Rarität dar, denn es handelt sich um einen Magirus-Aufbau auf einem Fahrgestell vom Typ Mercedes-Benz LF 311/42 ! Aufgrund des Kooperationsvertrages zwischen der Daimler-Benz AG und Metz war diese Kombination nicht vorgesehen, und Magirus setzte sowieso seine Leiteraufbauten lieber auf hauseigene Fahrgestelle. Welche Gründe die FF Ludwigsburg bewogen haben, ein solch besonderes Fahrzeug zu beschaffen, lässt sich nicht mehr genau feststellen. Möglicherweise spielte die zu diesem Zeitpunkt größere Erfahrung von Magirus beim Bau von hydraulischen Drehleitern eine Rolle, und es sollte eben dennoch unbedingt ein Mercedes-Benz werden.


Genutzt wurde hier eine Kabine aus dem regulären Fertigungsprogramm von Mercedes-Benz, das Podium, der Leiterstuhl und die Leiter selbst waren Magirus-üblich. Nach etlichen Jahren Einsatzdienst dient die Drehleiter heute als Traditionsfahrzeug und ist gerne gesehener Gast auf Oldtimertreffen. Umso erstaunlicher ist es, dass wir bisher nur dieses eine Foto in unserer Galerie haben.


DL 25, Mercedes-Benz LF 311/42, Magirus, Baujahr 1959, FF Ludwigsburg, heute Oldtimerfahrzeug.


Die gewerbliche Wirtschaft verlangte Mitte der 1950er Jahre nach Lastwagen mit höherer Nutzlast als sie der Mercedes-Benz L 311 (3.500 kg) und der L 312 (4.500 kg) anboten. Zunächst war dafür der aus der Kriegszeit übernommene L 4500 gedacht gewesen, der schrittweise zum Fünftonner, Fünfeinhalbtonner und schließlich Sechstonner aufgewertet worden war. Über diese Baureihenentwicklung wird in späteren Artikeln noch berichtet werden. Allerdings war die Konstruktion inzwischen sehr in die Jahre gekommen, der Motor war wie alle Daimler-Benz-Dieselaggregate aus den 1930er und frühen 1940er Jahren relativ schwer und schränkte damit die Nutzlast ein.

Mehr Nutzlast verlangte auch nach einem stärkeren Motor. Der OM 312 mit seinen ursprünglich 90 PS war bereits 1953 auf 100 PS hochgezüchtet worden, in der Turboladerversion als OM 312A wurden ab 1954 sogar 115 PS erreicht. Diese Leistungssteigerung führte jedoch zu erheblichen thermischen Problemen im Motor, Turboladerantriebe neigten stark zur Überhitzung und waren sehr wartungsintensiv. Für Feuerwehrfahrzeuge war das wegen der meist kurzen Anfahrtswege unproblematisch, die „Kapitäne der Landstraße“ standen aber den aufgeladenen Motoren aus guten Gründen skeptisch gegenüber. Zahlreiche Ausfälle bei längeren Fahrten und häufige Werkstattaufenthalte konnten sie sich einfach nicht leisten.

Um auf Basis des OM 312 einen stärkeren Motor zu bekommen, wurde der Hubraum durch eine Erweiterung der Bohrung von 90 auf 95 mm gebracht, am Hub von 120 mm sollte nichts verändert werden. Daneben wurde die Vorkammer umgestaltet. Der ab 1954 in Serie produzierte neue OM 321 verfügte über 5.103 cm³ Hubraum und leistete jetzt 110 PS bei 3000 U/min.

Allerdings wurde er anfangs nicht in Hauben-LKW eingebaut. Zunächst werkelte er nur als Heckmotor im Omnibus O 321 H und lieferte eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h. Doch auch die Leistung von 110 PS ließ sich noch verbessern. Im Jahre 1956 begann die Produktion des OM 321 AM. Die Buchstaben kennzeichneten die „Aufladung mild“, sie lieferte 126 PS und wurde ebenfalls häufig in Heckmotorbusse eingebaut. Speziell für Feuerwehren gedacht war der voll aufgeladenen OM 321 A mit 132 PS – es gab nur zunächst keine passenden Fahrzeuge.

Erst 1957 erschien für den Motor OM 321 der LKW L 321 mit 5.500 kg Nutzlast und einem modularen Leiterrahmen, der vier verschiedenen Längen ermöglichte. Als Pritschenwagen wurde er mit den klassischen Radständen 3.600 mm und 4.200 mm angeboten, dazu kam die verlängerte Ausführung mit 4.830 Millimetern zwischen den Achsen. Die Allradversionen (LA 321) und die Kipper (LK 321, LAK 321) beschränkten sich auf Radstände von 3.600 und 4.200 mm. Als Sattelzugmaschine waren die Modelle LS 321/32 und LS 321/36 unterwegs, was eben 3.200 mm bzw. 3.600 mm Achsabstand bedeutete. Die L 321 aller Art nutzten das schon vom L 311 und L 312 her bekannte Führerhaus mit der „mittleren“ Motorhaube (die kurze Haube des L 1500 S gab es schon seit 1943 nicht mehr) und unter der Frontscheibe liegenden Wischermotoren. Als Höchstgeschwindigkeit wurden 77 km/h angegeben.

Dem L 321 war allerdings kein langes Leben beschert, bereits 1959 wurde die Nachfolgebaureihe des Kurzhaubers L 322 (zunächst mit dem gleichen Motor) eingeführt. Die kurze Produktionszeit und die gerade erfolgte Veröffentlichung der Vornormen für Feuerwehrfahrzeuge mit ihren zahlreichen Beschränkungen in der Tonnage führten dazu, dass für den deutschen Markt nur zwei Exemplare gebaut wurden. Im Jahre 1959 erhielten die BF Trier und die FF Sindelfingen je eine DL 30h auf dem Mercedes-Benz LF 321/48, also mit 4.830 mm Radstand.

Die BF Trier verkaufte ihr Fahrzeug um 1975 an die FF Senden in Nordrhein-Westfalen. Dort wurde sie 1986 ersetzt und gelangte in Sammlerhände, wird jedoch schon seit vielen Jahren nicht mehr öffentlich gezeigt. Die Sindelfinger Drehleiter soll Mitte der 1980er Jahre in die USA an einen Oldtimerliebhaber verkauft worden sein. Von beiden Fahrzeugen haben wir keine Bilder in der Galerie. Freundlicherweise stellte einer unserer User, der bekannte Fachbuchautor Klaus Fischer, ein Foto zur Verfügung, welches er bei einer Übung zum Jubiläum der FF Sindelfingen im Juli 1984 aufnehmen konnte. So kann zumindest eine der beiden nahezu baugleichen DL 30h hier gezeigt werden.


DL 30h, Mercedes-Benz LF 321/48, Metz, Baujahr 1959, FF Sindelfingen, heute im Besitz eines US-amerikanischen Sammlers.

Abschließend sei noch bemerkt, dass für diese acht hydraulischen Drehleitern und für etliche in den folgenden Jahren grundsätzlich Ausnahmegenehmigungen für die Zulassung zum Feuerwehrdienst erforderlich waren. Die Vornorm und die Sicherheitsbestimmungen verlangten nämlich ausdrücklich Fallhaken als Schutz gegen unbeabsichtigtes Einlaufen des Leiterparks in aufgerichtetem Zustand - die waren aber an hydraulischen Drehleitern überflüssig.

(wird fortgesetzt)

Text: Klausmartin Friedrich

Bilder: Rüdiger Barth, Klaus Fischer, Karl Müller, Wolfgang Singer.

Literatur (u.a.):
Daimler-Benz AG (Hrsg.): Geburt einer Legende: Die 1949 vorgestellte Motorenbaureihe 300 ist ein großer Wurf; Stuttgart, 2009.

Hasemann, Dieter: Drehleitern deutscher Feuerwehren; Brilon, 2000.

Regenberg, Bernd: Die deutschen Lastkraftwagen der Wirtschaftswunderzeit – Band 2: Mittlere und schwere Fahrzeuge; Brilon, 1986.

 


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